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Gesetzlicher Wortlaut vs. Praxis

Wörtlich heißt es in § 99 Abs. 3 BetrVG:

„Der Betriebsrat hat die beabsichtigte Maßnahme innerhalb einer Woche [...] schriftlich mitzuteilen.“

Entsprechendes gilt für § 102 BetrVG bei Kündigungen. Die Formulierung „schriftlich“ legt eigentlich nahe, dass eine eigenhändig unterschriebene Erklärung im Sinne von § 126 BGB erforderlich ist. Lange Zeit war dies auch herrschende Meinung – in der Kommentarliteratur wie auch in der betrieblichen Umsetzung.

BAG: Textform reicht aus

Diese Sicht hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) jedoch ausdrücklich aufgegeben. Bereits im Jahr 2008 stellte es in seinem Beschluss vom 09. Dezember 2008 – 1 ABR 79/07 – klar:

Für § 99 Abs. 3 BetrVG genügt die Textform gemäß § 126b BGB.

Das bedeutet: Es reicht aus, wenn die Stellungnahme lesbar und dauerhaft dokumentiert ist – etwa in einer E-Mail, einem Fax oder einem nicht unterschriebenen Ausdruck. Eine handschriftliche Unterschrift ist nicht erforderlich.

Diese Rechtsprechung wurde später auch auf § 102 BetrVG übertragen (vgl. BAG, Beschluss vom 08.12.2009 – 1 ABR 40/08).

Warum ist das so?

Ziel der Formvorgabe ist es nicht, formale Hürden aufzubauen, sondern eine nachvollziehbare und dokumentierte Beteiligung des Betriebsrates zu gewährleisten. Der Zugang, Inhalt und Zeitpunkt der Stellungnahme müssen überprüfbar sein – das ist auch ohne Unterschrift möglich.

Was bedeutet das für die Praxis?

Zulässige Formate: Stellungnahmen können per E-Mail oder Fax erfolgen – auch ohne Unterschrift, sofern klar ist, von wem sie stammen und wann sie eingegangen sind.

Begründungspflicht beachten: Sowohl die Zustimmungsverweigerung (§ 99) als auch der Widerspruch (§ 102) müssen sachlich begründet sein – pauschale Ablehnungen genügen nicht.

Fristwahrung sicherstellen: Die Wochenfrist beginnt mit der vollständigen Unterrichtung des Betriebsrates.

Dokumentation empfohlen: Auch wenn eine einfache Textform genügt, sollte der Betriebsrat aus Gründen der Beweisführung auf eine saubere Dokumentation achten – idealerweise mit Zeitstempel und Nachweis des Zugangs beim Arbeitgeber.

Empfehlung

Auch wenn die formelle Anforderung geringer ist als früher angenommen, empfiehlt es sich, weiterhin eine formell einwandfreie und nachvollziehbare Mitteilung zu wählen – z. B. eine unterschriebene PDF per E-Mail. So wird unnötiger Streit über Formfragen von vornherein vermieden.

Fazit

Die Schriftform in § 99 und § 102 BetrVG bedeutet nicht mehr automatisch die strenge Schriftform nach § 126 BGB. Nach der Rechtsprechung des BAG reicht die Textform gemäß § 126b BGB aus – ein klarer Vorteil für die praktische Betriebsratsarbeit. Wichtig bleibt: Inhalt, Frist und Nachvollziehbarkeit müssen stimmen, die äußere Form allein entscheidet nicht über die Wirksamkeit.

Philipp Arndt-Wende
Rechtsanwalt

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