Der Sachverhalt
Die Arbeitnehmerin ist seit 1997 für die Arbeitgeberin tätig, zuletzt vollschichtig als Marktleiterin im Einzelhandel. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge für die Beschäftigten im Einzelhandel in ihrer jeweils geltenden Fassung Anwendung.
In dem vorliegenden Verfahren stritten die Parteien um das Verlangen der Arbeitnehmerin, die wöchentliche Arbeitszeit von 39 auf 32 Stunden zu reduzieren und diese auf vier Werktage in der Kalenderwoche zu verteilen, wobei jeder Dienstag arbeitsfrei bleiben und der zweite arbeitsfreie Tag entsprechend den betrieblichen Anforderungen variabel gestaltet werden sollte. Die Arbeitgeberin lehnte das Teilzeitbegehren der Arbeitnehmerin ab mit der Begründung, die Führung und Organisation eines Marktes setze eine Beschäftigung in Vollzeit voraus. Erstinstanzlich siegte die Arbeitnehmerin, die Arbeitgeberin legte gegen dieses Urteil Berufung ein.
Die Entscheidung
Das LAG Mecklenburg-Vorpommern wies die Berufung der Arbeitgeberin ab und entschied in seinem Urteil vom 26. September 2023, dass die bloße Vorgabe, die Position der Filialleitung nicht mit Teilzeitbeschäftigten zu besetzen, kein Organisationskonzept im Sinne des § 8 Abs. 4 Satz 2 TzBfG darstellt. Vielmehr muss sich das Arbeitszeitmodell als notwendige Folge aus einem bestimmten Organisationskonzept ableiten lassen. Daran fehlt es, wenn der Arbeitgeber nur behauptet, die Aufgaben sollten nach seiner unternehmerischen Zielsetzung von einer Vollzeitkraft erledigt werden. Dies gilt auch für Leitungsfunktionen.
Die Begründung
Die Arbeitgeberin trug vor, ihr Organisationskonzept bestünde darin, deutschlandweit pro Filiale nur einen Marktleiter in Vollzeit einzusetzen, damit dieser der gemäß Tätigkeitsbeschreibung zu erfüllenden Gesamtverantwortung gerecht werde. Dies sei für eine größtmögliche Präsenz der Marktleiter erforderlich, sodass diese mit der tarifvertraglich maximal zulässigen Stundenanzahl beschäftigt würden.
Hierin sieht das LAG eine unternehmerische Zielsetzung, jedoch kein nachvollziehbares betriebliches Organisationskonzept, aus dem sich die Notwendigkeit einer Vollzeittätigkeit der Marktleiter ableiten ließe. Anknüpfend hieran könnte der Arbeitgeber sonst jedem Teilzeitverlangen eines Arbeitnehmers mit dem Argument begegnen, er wolle nur Vollzeitarbeitnehmer beschäftigen (so bereits BAG 15.12.2009 – 9 AZR 72/09 Rn. 54).
Zusätzlich muss der Arbeitgeber die Konsequenzen aufzeigen, die einträten, wenn er in Abweichung von seinem Organisationskonzept dennoch Teilzeitkräften Leitungsaufgaben übertrüge. Auch daran fehlte es hier.
Vorliegend stehen sowohl dem Teilzeitbegehren als auch dem Verteilungswunsch der Arbeitnehmerin aufgrund des Fehlens eines Organisationskonzeptes keine betrieblichen Gründe im Sinne des § 8 Abs. 4 Satz 1 TzBfG entgegen.
Wie prüft ein Gericht die Anforderungen an ein solches Organisationskonzept?
Gemäß § 8 Abs. 4 Satz 1 TzBfG hat der Arbeitgeber der Verringerung der Arbeitszeit zuzustimmen, soweit betriebliche Gründe nicht entgegenstehen. Ein entgegenstehender betrieblicher Grund liegt gemäß § 8 Abs. 4 Satz 2 TzBfG insbesondere vor, wenn die Umsetzung des Arbeitszeitverlangens die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht.
Hierüber ist der Arbeitgeber im Falle der Ablehnung im arbeitsgerichtlichen Verfahren darlegungspflichtig. Zur Prüfung, ob solche betrieblichen Gründe vorliegen und diese der Verringerung der Arbeitszeit oder ihrer Neuverteilung entgegenstehen, hat das BAG ein dreistufiges Prüfungsschema entwickelt (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 15.12.2009 - 9 AZR 72/09 Rn. 51; LAG a.a.O. Rn. 26):
1. Zunächst ist auf der ersten Stufe festzustellen, ob der vom Arbeitgeber als erforderlich angesehenen Arbeitszeitregelung überhaupt ein bestimmtes betriebliches Organisationskonzept zugrunde liegt.
2. Auf der zweiten Stufe ist zu untersuchen, inwieweit das tatsächlich gelebte Konzept der Arbeitszeitregelung dem Arbeitszeitverlangen entgegensteht.
3. Schließlich ist in einer dritten Stufe das Gewicht der entgegenstehenden betrieblichen Gründe zu prüfen. Dabei ist die Frage zu klären, ob das betriebliche Organisationskonzept oder die zugrunde liegende unternehmerische Aufgabenstellung durch die vom Arbeitnehmer gewünschte Abweichung wesentlich beeinträchtigt wird.
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung wird unter einem Organisationskonzept das Konzept verstanden, mit dem die unternehmerische Aufgabenstellung im Betrieb verwirklicht werden soll. Die Darlegungslast dafür, dass das Organisationskonzept die Arbeitszeitregelung bedingt, liegt beim Arbeitgeber. Die dem Organisationskonzept zugrunde liegende unternehmerische Aufgabenstellung und die daraus abgeleiteten organisatorischen Entscheidungen sind hinzunehmen, soweit sie nicht willkürlich sind (BAG 18.02.2003 – 9 AZR 164/02). Das Organisationskonzept muss Ausführungen hinsichtlich des Umfangs als auch der Lage der Arbeitszeitregelung enthalten. Dies beinhaltet z.B. eine Konkretisierung hinsichtlich der Zuordnung einer bestimmten Anzahl von Vollzeitkräften zu einem Aufgabengebiet mit Spezifizierung der zeitlichen Verteilung der Arbeitszeit (LAG Hamm 01.08.2013 – 17 Sa 185/13).
Ein wirksamer Ablehnungsgrund eines Teilzeitbegehrens kann z.B. in einem heilpädagogischen Konzept ruhen, eine kontinuierliche Betreuung durch eine Bezugsperson vorzusehen (BAG 19.08.2003 – 9 AZR 542/02). Auch bestimmte Schichtpläne oder Maschinenlaufzeiten können eine betriebliche Arbeitszeitgestaltung beeinflussen (BAG 14.10.2003 – 9 AZR 636/02).
Wie sind die Teilzeitansprüche aus dem TzBfG geltend zu machen?
Das Arbeitsverhältnis muss länger als sechs Monate bestehen. Ein Arbeitnehmer kann entweder nach § 8 Abs. 1 TzBfG eine zeitlich unbegrenzte Reduzierung seiner vertraglichen Arbeitszeit verlangen oder er verlangt gleich die sog. „Brückenteilzeit“ nach § 9a TzBfG. Dies wird fast immer vorzugswürdig sein, weil damit ein Arbeitnehmer nach Ende des Teilzeitwunsches „automatisch“ in seine frühere (Voll-)Zeit zurückkehrt.
In beiden Fällen muss der Arbeitgeber nach § 8 Abs. 7 TzBfG mehr als 15 Arbeitnehmer in seinem Unternehmen beschäftigen. Diesen tariflich nicht disponiblen gesetzlichen Anspruch haben auch bereits in Teilzeit beschäftigte Arbeitnehmer sowie befristet Beschäftigte (§§ 4, 5 TzBfG).
Der Arbeitnehmer muss den Antrag auf Verringerung seiner Arbeitszeit spätestens drei Monate vor deren Beginn in Textform (z.B. per Mail, Teams-Chat, Messenger-Chat-Nachricht) gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen, § 8 Abs. 2 TzBfG. Er soll, er muss nicht, dabei die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit angeben.
Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer gemäß § 8 Abs. 5 TzBfG seine Entscheidung über dessen Antrag auf Arbeitszeitverringerung und ggf. auch auf Verteilung der Arbeitszeit spätestens einen Monat vor dem gewünschten Beginn in Textform mitzuteilen.
Wichtig ist: Kommt keine Einigung zustande und hat der Arbeitgeber nicht form- und fristgerecht abgelehnt, so tritt die in § 8 Abs. 5 TzBfG normierte gesetzliche Fiktion ein: Die Arbeitszeit des Arbeitnehmers verringert sich gemäß der von ihm gewünschten Verteilung ohne weiteres Zutun des Arbeitgebers.
Mit jedem gewährten oder zurecht abgelehnten Teilzeitantrag tritt eine zweijährige Sperrzeit ein, § 8 Abs. 6 TzBfG. Erst nach ihrem Ablauf kann ein neuer Antrag gestellt werden.
Weitere Teilzeitansprüche
Neben den Ansprüchen aus dem TzBfG auf zeitlich nicht begrenzte Verringerung der Arbeitszeit nach § 8 TzBfG und der zeitlich beschränkten Brückenteilzeit nach § 9a TzBfG gibt es weitere Anspruchsgrundlagen: Während der Elternzeit aus dem BEEG, aus dem Familienpflegezeitgesetz (FamPflZG) und dem Pflegezeitgesetz (PflegeZG) sowie aus § 164 Abs. 5 Satz 3 SGB IX für schwerbehinderte Menschen.
Ina Weimer
Fachreferentin für Arbeitsrecht, LL.M. Arbeitsrecht und Personalmanagement