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Die Umsetzung der Richtlinie – bis 2026?

Gender Pay Gap und Entgeltungleichheit zwischen Männern und Frauen verringern und für mehr Lohngerechtigkeit sorgen: das soll die Umsetzung der EU-Entgelttransparenzrichtlinie in den europäischen Mitgliedsstaaten bewirken. Die Richtlinie ist bereits im Mai 2023 in Kraft getreten. Bis Juni 2026 ist der nationale Gesetzgeber verpflichtet, die europäischen Vorgaben in nationales Recht umzusetzen. Der Koalitionsvertrag von Union und SPD enttäuscht hier hinsichtlich der zeitlichen Planung. Statt einer zeitnahen Umsetzung soll nun zunächst eine Kommission bis Ende 2025 Umsetzungsvorschläge machen. Stichhaltige Gründe für die Einsetzung dieser Kommission werden nicht genannt. Diese sind auch nicht erkennbar, da ein Referent:innenentwurf des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) nach eigenen Angaben bereits vorbereitet sein soll. Es bleibt abzuwarten, ob die Zielsetzung eines zeitnahen Gesetzesentwurfes mit dieser Kommission erreicht wird oder ob sehenden Auges europäisches Recht verletzt und die Umsetzungsfrist überschritten wird.  

Die in der EU-Entgelttransparenzrichtlinie vorgesehenen und in nationales Recht umzusetzenden Vorgaben stellen sich zusammengefasst in folgenden Neuerungen dar:

·         Die Pflicht zur Durchführung einer gemeinsamen Entgeltbewertung mit dem Betriebsrat, wenn ein geschlechtsspezifisches Entgeltgefälle von mehr als 5 % festgestellt wird, welches sich nicht durch objektive und geschlechtsneutrale Kriterien rechtfertigen lässt und nicht innerhalb von sechs Monaten nach der Vorlage der Entgeltberichterstattung beseitigt ist.

·         Die Schaffung von Entgeltstrukturen mit objektiven, geschlechtsneutralen Kriterien (z.B. Kompetenz, Arbeitsbelastung, Arbeitsbedingungen), die mit den Betriebsräten vereinbart werden.

·         Eine Informationspflicht des Arbeitgebers: In Unternehmen jeder Größe müssen leicht zugänglich Informationen zu den Kriterien bezüglich der Festlegung von Entgelthöhen, der Entgeltentwicklung sowie der Festlegung der Entgelte zur Verfügung gestellt werden. Hinsichtlich der Entgeltentwicklung kann der nationale Gesetzgeber abweichende Regeln für Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitenden schaffen. Daneben besteht ein individuelles Auskunftsrecht für Arbeitnehmende unabhängig von der Unternehmensgröße. Auch die Reichweite des Auskunftsrechts wird sich gegenüber der aktuellen Gesetzeslage erweitern.

·         Transparenz im Bewerbungsverfahren: Bewerber:innen sollen das Recht bekommen, vom Arbeitgeber Informationen über Einstiegsgehalt und Gehaltsspanne sowie anwendbare Tarifverträge zu erhalten.

·         Umfassendere Berichterstattungspflichten für Unternehmen ab 100 Mitarbeitenden: Arbeitnehmervertretungen wird ein Recht auf weitergehende Informationen eingeräumt werden.

·         Verstöße werden stärker bzw. überhaupt geahndet, Unternehmen drohen damit Bußgelder und Schadensersatzklagen von Mitarbeitenden. Bei Verstößen des Arbeitgebers gegen die Transparenzpflichten ergibt sich zudem eine Verlagerung der Beweislast auf den Arbeitgeber, d.h. er muss beweisen, dass Gehaltsunterschiede nicht auf dem Geschlecht des jeweiligen Mitarbeitenden beruhen. Das Thema Entgelttransparenz bekommt damit nun endlich „Zähne“.

Es bleibt abzuwarten, wann und wie der nationale Gesetzgeber die Vorgaben der EU-Entgelttransparenzrichtlinie umsetzen wird. Überraschungen in der Umsetzung sind jedenfalls nicht auszuschließen, auch bietet die Richtlinie stellenweise Raum für Diskussion, wie sie umzusetzen ist. Die grundsätzlichen Vorgaben, die durch die Richtlinie für die Mitgliedsstaaten festgelegt sind, werden aber ohne Zweifel weitreichende Veränderungen für Unternehmen in Deutschland nach sich ziehen. Da die Vorgaben der Richtlinie nicht nur die Rechte der Arbeitnehmervertretungen stärken, sondern auch für den Arbeitgeber zu neuen Pflichten in Bezug auf die Lohngestaltung führen werden, ist das Thema Entgeltgleichheit bereits jetzt dringend von den Betriebsparteien zu behandeln. Ein Abwarten bis zur nationalen Umsetzung ist aufgrund der erforderlichen und in der Regel umfangreichen Abstimmungsprozesse nicht zu empfehlen.

Betriebsräte sollten die zu erwartenden Neuerungen auch zum Anlass nehmen, sich mit dem status quo der Entgelttransparenz und Lohngestaltung im Betrieb allgemein auseinanderzusetzen.

Status Quo der Entgelttransparenz?  

Bislang hat das 2017 in Kraft getretene Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen (EntgTranspG) eher ein Schattendasein in deutschen Betrieben geführt, dies vor allem, da dem Arbeitgeber keine durchschlagenden Sanktionen bei Verstößen gegen die gesetzlichen Vorgaben drohten. Die Rolle des Betriebsrates in Bezug auf Entgeltgleichheit ist klar, er hat nach § 80 Abs. 1 Nr. 2a BetrVG die Durchsetzung der Entgeltgleichheit von Frauen und Männern zu fördern. § 13 Abs. 1 S. 1 EntgTranspG nimmt hierauf Bezug und konkretisiert die Durchsetzung dieser Förderungspflicht. Der Betriebsrat hat nach dem aktuellen EntgTranspG bereits folgende Aufgaben:

·         Der Betriebsrat ist Adressat des Auskunftsanspruchs von Mitarbeitenden in Bezug auf Entgeltgleichheit. Mitarbeitende sollen durch die zu erteilenden Informationen in die Lage versetzt werden, ihrer Darlegungs- und Beweislast im gegebenenfalls gegen den Arbeitgeber zu führenden Entgeltprozess überhaupt nachkommen zu können. Der Betriebsrat soll hier als weniger abschreckender Adressat des Informationsanspruchs Arbeitnehmende nicht davon abhalten, von ihrem Informationsanspruch Gebrauch zu machen. Zum späteren Beklagten einer entsprechenden Entgeltklage wird allerdings nur der Arbeitgeber. Der Auskunftsanspruch besteht bislang nur für Beschäftigte in Betrieben mit in der Regel mehr als 200 Mitarbeitenden. Der Arbeitgeber kann grundsätzlich die Beantwortung von Auskunftsansprüchen zeitlich befristet an sich ziehen, muss dabei aber den Betriebsrat weiter über Auskunftsverlangen und Antwort entsprechend informieren. Auch der Betriebsrecht kann sein Recht auf den Arbeitgeber verlagern, die Gründe hierfür sollte der Betriebsrat vorher jedoch ausführlich prüfen. 

Der Inhalt der zu erteilenden Auskunft richtet sich nach § 11 EntgTranspG: Generell anzugeben sind die Kriterien und das Verfahren der Entgeltfindung sowie das Vergleichsentgelt. Wie detailgenau die Angaben ausfallen müssen, hängt von der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers ab.

·         Der Arbeitgeber hat gemäß § 13 Abs. 3 EntgTransG dem Betriebsrat bzw. Betriebsausschuss Einblick in die Bruttolohnlisten der Arbeitnehmenden zu gewähren und diese nach Geschlecht sowie Entgeltbestandteil differenziert aufzuschlüsseln. Der Betriebsrat soll so dazu befähigt werden, die Auskunftsverlangen der Mitarbeitenden erfüllen zu können. Das Einsichtsrecht führt allerdings nicht zu einem Anspruch auf dauerhafte Überlassung der Gehaltslisten. Die im Rahmen des Einsichtsrecht nach § 13 Abs. 3 EntgTranspG notwendige Aufarbeitung der Gehaltslisten nach Geschlecht führt oftmals dazu, dass entsprechende Listen erstmalig erstellt werden. Betriebsräte sind dementsprechend schon jetzt gehalten, von ihren Rechten entsprechend Gebrauch zu machen.

·         Bislang kaum durchgeführt werden die bisher freiwilligen betrieblichen Prüfverfahren nach § 17 EntgTranspG für Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitenden. Hierbei ist der Betriebsrat (ggf. Gesamt- oder Konzernbetriebsrat) bis dato lediglich zu unterrichten, Beratungsrechte bestehen insofern nicht. Je nach Ausgestaltung des Prüfverfahrens können gegebenenfalls anderweitige Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates eröffnet sein.

 

Fazit

Die nationalen Regelungen zur Entgelttransparenz sowie die diesbezüglichen Rechte des Betriebsrates werden in naher Zukunft eine umfassende Novellierung erfahren. Die Rolle des Betriebsrates wird dabei erfreulicherweise gestärkt. Betriebsräte müssen aber nicht auf die Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie warten. Bereits jetzt können betriebsinterne Prozesse zur Entgelttransparenz angestoßen werden. Da in vielen Unternehmen das Thema Entgeltgleichheit bislang kaum bis gar nicht vorangetrieben worden ist, ist jetzt die Zeit gekommen, aktiv zu werden. Allein die Bereitstellung einer aussagekräftigen Informations- und Datenlage dürfte viele Unternehmen vor neue und große Aufgaben stellen, deren Bewältigung Zeit in Anspruch nehmen wird. Gemeinsam mit der Unternehmensleitung sind Gehaltskriterien und Gehaltsentwicklung genau zu prüfen und erforderlichenfalls zu entwickeln. Entgeltstrukturen sind grundsätzlich zu überdenken und an die kommende Gesetzeslage anzupassen.

 

Jana Prasse
Fachanwältin für Arbeitsrecht

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